Dr. House als Lehrmaterial
Dessau, 14.01.2019
Ein Gastbeitrag von Thomas Steinberg.
Die Kollegin bleibt fassungslos in der Tür stehen. Da sitzt Dr. House doch tatsächlich am Krankenbett, kippt mit dem Patienten Schnaps. Der ist nach einem schweren körperlichen Zusammenbruch aus der Todeszelle ins Princeton-Plainsboro Hospital verlegt worden.
Wer die Figur Gregory House kennt, ahnt, dass der nicht mit Clarence säuft, weil ihn dessen Schicksal anrühren würde. Sondern weil es medizinisch sinnvoll ist. Nur warum?
Prof. Christian Mang will das wissen. Von MHB-Studierenden in Dessau, Bad Saarow, Lauchhammer, Potsdam, Neuruppin. Mit den Dessauern sitzt er in einem Raum auf dem Gelände des Städtischen Klinikums Dessau, die anderen sind dem lange in Mainz und nunmehr in Münster lehrenden Pharmakologen per Videokonferenz zugeschaltet.
Neben Mang sitzt MHB-Student Patrick Timm. Er hat Mang nach Dessau eingeladen und assistiert ihm bei der Videokonferenz und gehört zur ersten Studierenden-Generation an der MHB. Er hat Mang während eine Konferenz in Mainz getroffen und ans Klinikum Dessau eingeladen. Kennengelernt hat er den Professor im Internet, genauer auf YouTube – und war begeistert von dessen Online-Vorlesungen.
Mit Bianca „Bibi“ Heinicke, deutsche YouTuberin mit 5,5 Millionen Followern und berühmt für nichts, kann Mang nicht mithalten – er bringt es mit seiner MANG Medi-a-zin-Didaktik auf gerade einmal 15410 Follower und 15 Videos – und damit weit oben auf der deutschen YouTube-Professoren-Liste. In jeweils ein bis anderthalb Stunden langen Videos widmet sich der Pharmakologe medizinischen Themen. Motto: „Gute Lehre ist die Simplifikation komplexer Sachverhalte.“
Dieser Vereinfachung kann – gelegentlich – die Diskussion von Symptomen und Behandlungsmethoden in „Dr. House“ diesen. Also: Wann ist Schnaps als Medizin angezeigt? In Bad Saarow hat man zuerst die Lösung und hält ein Schild in die Kamera. Darauf steht „Methanolvergiftung“. Mang lobt und erklärt die Biochemie hinter der Behandlungsmethode.
Als Dr. Gregory House, gespielt von Hugh Laurie, sich nach 177 Folgen vom Fernsehbildschirm zurückzog, hatte der Misanthrop mit seinem Team die entlegensten Fälle diagnostiziert - ob Colchicin-Vergiftung, Lambert-Eaton-Rooke-Syndrom, Myasthenia gravis oder Beulenpest. Die medizinische Aspekte der Serie gelten als gut recherchiert. Insofern taugen sie durchaus als unterhaltsames Lehrmaterial.
„Ich bin“, lässt Mang zu Beginn seiner Video-Vorlesung wissen, „gegen das Auswendiglernen.“ Das gilt immer noch aller Kritik als ein Hauptbestandteil des Medizinstudiums. Mang will stattdessen ein besseres Verständnis für Zusammenhänge wecken - und für die Patienten.
Der Therapie mit Alkohol zum Trotz geht es dem Patienten und Todeskandidaten Clarence mittlerweile wieder sehr schlecht, er leidet unter höllischen Bauchschmerzen. Nach und nach kommt ein Symptom hinzu, dann stoppt Mang den Film und will wissen, wie die Diagnose lautet. Ein Dessauer Student weiß die richtige Antwort: Phäochromozytom, ein gutartiger Tumor in der Nebenniere. Extrem selten und unter anderem Auslöser extrem hoher Adrenalin-Ausschüttungen. Dem Fernsehärzte-Team dienen sie als eine Erklärung für die massiven Wutanfälle des Patienten, unter denen er vier Menschen umgebracht hat.
Was man noch bei „Dr. House“ lernen könne? „Immer zwei Mal hinzuschauen“, sagt Prof. Christian Mang. Und sich nicht vorschnell ein Urteil zu bilden. Sei es über Menschen oder über Krankheiten.