„Das Zwischenmenschliche erschließt das sonst Unerschlossene.“
Neuruppin, 12. April 2021
Im Rahmen einer virtuellen Feier wurden am vergangenen Freitag in der Neuruppiner Kulturkirche Absolvent*innen feierlich verabschiedet, die ihr Bachelor- oder Masterstudium der Psychologie an der MHB erfolgreich abgeschlossen haben. Prof. Stamm betonte in seiner Festrede die Bedeutung des dialogischen Prinzips und des echten Gesprächs.
„Aufgrund der nach wie vor deutlich zu hohen und aktuell sogar auch wieder steigenden Covid-19-Infektionszahlen war eine Präsenzveranstaltung und eine Teilnahme an der Absolvent*innenfeier in der Neuruppiner Kulturkirche anders als erhofft physisch vor Ort leider nicht möglich. Stattdessen bestand jedoch die Möglichkeit, die feierliche Verabschiedung Online in einem Livestream zu verfolgen und so zumindest virtuell mit dabei zu sein“, sagte Nadine Shalala, Leiterin des Bereichs Fundraising und Organisatorin der Veranstaltung.
Die Feier fand mit allen Redebeiträgen und einem musikalischen Begleitprogramm wie ursprünglich geplant statt und konnte über einen im Vorfeld bekanntgegebenen Link von überall aus verfolgt werden. „Um die Veranstaltung so persönlich wie möglich zu gestalten, hatten wir unsere Absolvent*innen auch gebeten, uns ein Foto aus der Zeit ihres Studiums zukommen zu lassen. Um trotz der örtlichen Distanz eine persönliche Begegnung untereinander zu ermöglichen, gab es im Anschluss an die Veranstaltung außerdem die Gelegenheit, sich über eine neue Plattform in virtuellen Räumen und in entspannter Atmosphäre wiederzusehen und auszutauschen“, so Shalala weiter.
Um das Thema virtuelle Welten und persönliche Begegnungen ging es auch in dem Festvortrag, der in diesem Jahr von Thomas Stamm, Professor für Klinische Psychiatrie und Psychotherapie, gehalten wurde.
Mit Blick auf die wachsende Bedeutung von Algorithmen und die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz ging Prof. Stamm der Frage nach, ob Maschinen nicht perspektivisch die besseren Therapeut*innen wären. Durch die Nutzung virtueller Räume und Realitäten würden sich auf der einen Seite auch in der Psychotherapie ungeahnte Möglichkeiten ergeben, auf neue Weise mit Patient*innen in Verbindung zu treten und in Kontakt zu kommen; auf der anderen Seite bestünde aber auch die Gefahr, dass sich der Beruf der Psychotherapeut*innen selbst abschaffen würde.
Es lohne sich daher, noch einmal darüber nachzudenken, was das spezifisch Menschliche an Psychotherapie sein könnte, was nicht durch eine Maschine ersetzt werden könne. Ausgangspunkt für dieses Nachdenken könne das Leitbild der MHB und der Begriff der Personalen Psychotherapie sein, der entscheidend von Gerhard Danzer geprägt sei. Den Philosophen Martin Buber zitierend betonte Stamm die Funktionsweise des „Dialogischen Prinzips“ und stellte die Bedeutung des „Echten Gesprächs“ heraus. Solche Gespräche würden einen Raum des Zwischen eröffnen, der durch intensives emotionales und intellektuelles Hin und Her der dialogischen Gesprächspartner geprägt sei und als das Besondere einer interpersonellen Beziehung gelten dürfe:
„Wo aber das Gespräch sich in seinem Wesen erfüllt, zwischen Partnern, die sich einander in Wahrheit zugewandt haben, sich rückhaltlos äußern und vom Scheinen-Wollen frei sind, vollzieht sich eine denkwürdige, nirgendwo sonst sich einstellende gemeinschaftliche Fruchtbarkeit. Das Wort ersteht Mal um Mal substantiell zwischen den Menschen, die von der Dynamik eines elementaren Mitsammen-Seins in ihrer Tiefe ergriffen und erschlossen werden. Das Zwischenmenschliche erschließt das sonst Unerschlossene“, zitierte Stamm Martin Buber und fuhr fort: „Mit diesem Selbstverständnis als Therapeut*innen dürfen wir uns selbstbewusst in Online-Therapien und als Avatare in virtuellen Räumen bewegen. Denn dieses, von Buber beschriebene, ansonsten Unerschlossene wird Ihnen keine Maschine abnehmen“, schloss Stamm.
Insgesamt wurden 50 Bachelor- und 33 Masterstudierende verabschiedet. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung durch Sebastian Ripl, selbst Absolvent des Masterstudiengangs Klinische Psychologie und Psychotherapie an der MHB, und Sängerin Jasmin.
Die Veranstaltung kann unter diesem Link noch einmal in voller Länge nachgesehen und –gehört werden.