Forschung
Analyse mit MHB-Beteiligung: Gesundheitssystem bewährte sich in der COVID-19-Pandemie
Neuruppin, 19. März 2024
Das deutsche Gesundheitssystem hat sich in der COVID-19-Pandemie bewährt. Zu diesem Schluss kommt eine neue Datenanalyse mit dem Titel „Short Term Outcomes and Treatment Intensity of Major Cardiovascular Emergencies During the SARS-CoV2 Pandemic in Germany“ (Kurzfristige Ergebnisse und Behandlungsintensität von schweren kardiovaskulären Notfällen während der SARS-CoV2-Pandemie in Deutschland), an der auch die Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) beteiligt war.
Während der COVID-19-Pandemie wurden in vielen Bereichen der Medizin sinkende Krankenhausbehandlungen beobachtet. Die Studie untersuchte anhand von Routinedaten der Krankenkasse BARMER, wie sich die Behandlung von Herz-Kreislauf-Notfällen in Deutschland während der Pandemie im Vergleich zu den zwei Jahren zuvor verändert hat. Dafür wurden 140.989 Krankenhausbehandlungen von 122.340 Patient:innen (48,3 % Frauen) in den Jahren 2018 bis 2021 analysiert. Die Patient:innen wurden mit akutem Koronarsyndrom bzw. Herzinfarkt (46 %), akutem Schlaganfall (45 %) und akuter Extremitätenischämie (9 %) notfallmäßig stationär behandelt.
Während der COVID-19-Pandemie wurden verschiedene Aspekte der Patientenversorgung und ihrer Charakteristika untersucht. Die aktuelle Studie beschäftigte sich auch mit der Frage, ob es geschlechterspezifische Unterschiede bei der Notfallversorgung gab. Eine bemerkenswerte Beobachtung war dabei, dass Frauen bei ihrer Aufnahme im Krankenhaus im Durchschnitt etwa fünf Jahre älter waren als männliche Patienten. Darüber hinaus wurden Unterschiede in den Komorbiditäten, also weiterer Nebenerkrankungen, und dem Pflegegrad zwischen den Geschlechtern festgestellt. Alle Analysen wurden daher separat für Frauen und Männer durchgeführt. Zur Untersuchung des Einflusses der Pandemie auf die Behandlung wurde ein Vergleich zwischen den Jahren 2020/2021 und 2018/2019 mittels Propensity-Score-Matching vorgenommen, eine statistische Methode zur Auswertung von Beobachtungsdaten. Diese Untersuchung ergab keine signifikanten Unterschiede bei den Begleiterkrankungen. Dies legt nahe, dass sich die Gesundheitszustände der Patienten während der Pandemie im Vergleich zu den Vorjahren nicht wesentlich verändert haben.
Dr. Christian-Alexander Behrendt
Es wurde auch beobachtet, dass während der Pandemie Patient:innen mit akutem Schlaganfall tendenziell einen höheren Pflegegrad hatten. Darüber hinaus wurden Patient:innen früher aus dem Krankenhaus entlassen, und es gab einen Anstieg bei invasiven Behandlungen. In Bezug auf die Sterblichkeit zeigten sich jedoch keine signifikanten Unterschiede während der Pandemie im Vergleich zum Vorzeitraum. Weder die Krankenhaussterblichkeit noch die 30-Tage-Gesamtsterblichkeit waren statistisch auffällig verändert.
„Die COVID-19-Pandemie stellte eine große Herausforderung für das deutsche Gesundheitssystem dar. Trotz der hohen Belastung hat das System gut funktioniert, insbesondere bei der Versorgung von kardiovaskulären Notfällen. Das deutsche Gesundheitssystem ist dezentral organisiert und verfügt über ein Netz von Krankenhäusern und Kliniken, sowohl in universitärer als auch in nicht-universitärer Trägerschaft. Bei kardiovaskulären Notfällen spielt die Versorgung in nicht-universitären Einrichtungen eine wichtige Rolle. Diese dezentrale Struktur hat sich in der Pandemie als Vorteil erwiesen, da sie eine flächendeckende und flexible Versorgung ermöglichte. Die Befürchtungen, dass die Pandemie zu einer Verschlechterung der Versorgung von Herzinfarkten, Schlaganfällen und akuten Extremitätenischämien führen könnte, haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Es gab keine Anzeichen für relevante Kollateralschäden bei der stationären Behandlung dieser Notfälle“, so Dr. Christian-Alexander Behrendt von der Forschungsgruppe GermanVasc an der MHB, der auch medizinisch-wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Gefäßmedizinische Gesundheitsforschung gGmbH (DIGG) ist.
Die Erkenntnisse aus der Analyse geben Einblick in die Auswirkungen der Pandemie auf die Patient:innenversorgung und zeigen sowohl Veränderungen in bestimmten Behandlungspraktiken als auch Kontinuität in anderen Aspekten der Versorgung auf. Gleichzeitig zeigt die Untersuchung, dass die Krankenhausbehandlung kardiovaskulärer Notfälle während der COVID-19-Pandemie nicht zu einer höheren Sterblichkeit geführt hat. Die Anpassung der Praxis in den Krankenhäusern war erfolgreich. Die Ergebnisse unterstreichen die Resilienz des deutschen Gesundheitssystems inmitten einer schweren Pandemie. „Das gute Funktionieren des deutschen Gesundheitssystems in der Pandemie ist ein ermutigendes Ergebnis. Es zeigt, dass das System robust und widerstandsfähig ist, auch unter extremen Belastungen. Dies ist ein Verdienst aller Akteur:innen im Gesundheitswesen, von den Ärzt:innen und Pflegekräften bis hin zu den Krankenkassen und der Politik“, fasst Dr. Behrendt zusammen.
Der Beitrag ist online hier zu finden: www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1078588424002533
Wissenschaftlicher Ansprechpartner
Dr. Christian-Alexander Behrendt
behrendt@hamburg.de