Lehre
Simulationspersonen-Programm: Krank nach Drehbuch
Das Simulationspersonenprogramm ist ein unverzichtbarer Bestandteil der medizinischen Ausbildung an der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB). Es bietet den Studierenden die Möglichkeit, in realitätsnahen Szenarien ihre kommunikativen Fähigkeiten zu verfeinern und ihr Selbstbewusstsein im Umgang mit Patient:innen zu stärken. Eine dieser Simulationspersonen ist Thomas Pleier aus Ziesar (Potsdam-Mittelmark). Über seine Erfahrung als Schauspielpatient spricht der 55-Jährige im Interview.
Herr Pleier, was hat Sie dazu bewogen, sich an der MHB als Simulationsperson in der Ausbildung von Mediziner:innen einzubringen?
Thomas Pleier: Im Jahr 2012 hatte ich meine erste Krebserkrankung. Mir wurde im Uniklinikum Brandenburg sozusagen das Leben gerettet. Nachdem ich dann wieder einigermaßen auf den Beinen war, hatte ich immer den Gedanken, dass ich etwas zurückgeben sollte. Da stieß ich 2017 auf einen Artikel, in dem die MHB sich vorgestellt und um Simulationspersonen geworben hat. Ich wusste sofort, dass ich da reagieren muss und habe mich beworben.
Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle als „Patient“ vorbereitet? Gab es eine spezielle Schulung oder Ausbildung?
Bevor man seine erste Rolle als Simulationsperson spielt, wird man sehr gut vorbereitet. Es gibt verschiedene Schulungen für jede einzelne Rolle und auch Feedbackschulungen. Natürlich bleibt es nicht aus, dass man zu Hause seine Rollen lernt und eventuell auch schon mal in Gedanken durchspielt. Ich spreche da aber nur für mich. Wie andere Simulationspersonen das machen, kann ich nicht sagen. Für mich gilt: Ich möchte jede Rolle so authentisch wie möglich spielen. Auf jeden Fall kann ich eins sagen: Wenn der Übungsleiter sagt, dass man die Rolle gut spielt, dann kann man sich darauf verlassen und mit einem ruhigen Gewissen in TRIK-Seminare, in denen es um Teamarbeit, Reflektion, Interaktion und Kommunikation geht, oder in die mündlich-praktischen Prüfungen der Studierenden gehen.
Welche verschiedenen Patientenrollen haben Sie schon verkörpert und welche fanden Sie besonders herausfordernd?
Ich persönlich habe, glaube, schon zirka 90 Prozent aller Rollen gespielt und kann sagen, jede für sich ist einzigartig und interessant. Es gibt verschiedene Schwerpunkte, in denen die Studierenden unterrichtet werden und für jedes Themenfeld ist die jeweilige Rolle zugeschnitten. Das reicht von einem grippalen Infekt über die Auswirkungen starken Rauchens bis hin zu Erektionsstörungen. Ja, auch solche Themen werden ausgebildet. Man muss keine Scheu haben, eventuell mal eine etwas peinlichere Rolle zu spielen. Denn jeder einzelne Student legt eine gewisse Professionalität an den Tag. Es gibt aber Rollen, die mir aber besonders liegen. Das sind beispielsweise die Rollen als Alkoholiker oder als Starkraucher. Da ich aber weder Raucher bin, noch Alkohol trinke, sind für mich gerade diese Rollen sehr interessant und eine besondere Herausforderung.
Wie würden Sie die Interaktion mit den Medizinstudierenden beschreiben?
Jeder einzelne Student ist mit Herz, Leib und Seele dabei. Ich finde es in meiner Situation besonders, dass gestandene Ärzte mit mir in Seminaren und Prüfungen zusammengearbeitet haben. Das erfüllt mich ehrlich gesagt auch etwas mit Stolz. Der Umgang mit uns Simulationspatienten ist immer höflich. Über die Semester gesehen spricht man ja auch außerhalb des Unterrichts miteinander, sodass ab und zu sehr nette Gespräche gibt. Besonders erfreulich ist es für mich, wenn ich die Studierenden über die Semester begleite und sehe, welche Fortschritte sie machen. Ich persönlich wurde schon des Öfteren um meine Meinung gebeten, wie ich finde, wie sich die Studierenden über die Zeit entwickelt haben.
Hat die Tätigkeit als Simulationsperson Ihre eigene Wahrnehmung von der medizinischen Ausbildung oder Situation der Ärzte verändert?
Da ich vor zwei Jahren leider meine zweite Krebserkrankung erfahren musste, kann ich sagen, dass ich nun alles aus einer etwas anderen Sicht sehe. Ich sehe jetzt, wie die jungen Ärzte auf ihren Beruf vorbereitet werden und kann sagen: gut gemacht! Die jungen Ärztinnen und Ärzte lernen es, mit Patienten angemessen zu reden, Anamnesen zu machen - sozusagen auf Fehlersuche zu gehen. Besonders beeindruckt es mich, wenn die Studierenden lernen, eine schlechte Nachricht zu überbringen, da ich das bedauerlicherweise selbst schon des Öfteren erfahren musste.
Info: Simulationspersonen erhalten als Aufwandsentschädigung für Proben und Einsätze 16 Euro pro Stunde zuzüglich Fahrtkostentagessatz, die in der Regel steuer- und sozialversicherungsfrei sind. Wer selbst Simulationsperson am MHB-Standort in Brandenburg an der Havel oder in Neuruppin werden möchte, kann sich bei Markus Ammon per E-Mail an markus.ammon@mhb-fontane.de oder telefonisch unter 03391 3914351 melden. Im kommenden Wintersemester sind vor allem Menschen in der Altersgruppe von 20 bis 50 Jahren gesucht. Voraussetzung für die Tätigkeit als Simulationsperson ist lediglich ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, gute Erreichbarkeit per E-Mail/Telefon und eine gewisse zeitliche Flexibilität – wenn man beispielsweise an einem bestimmten Wochentag nie Zeit hat, stellt das kein Problem dar. Unter der Woche aber prinzipiell beispielsweise erst ab 15 Uhr verfügbar zu sein, ist mit der Tätigkeit nicht vereinbar. Weitere Informationen gibt es hier.
Hintergrund: Simulationspersonen sind geschulte Laiendarsteller, die realistische Patientenszenarien simulieren. Sie benötigen keine medizinische oder schauspielerische Ausbildung, um die Rolle eines Patienten glaubwürdig darzustellen, werden aber vor jedem Einsatz konkret und individuell geschult. Simulationspersonen können komplexe Krankheitsbilder authentisch nachbilden und spielen diese vor sehr kleinen Studierendengruppen von 6 bis 8 Personen. Das ist eine ideale Grundlage für die medizinische Ausbildung in verschiedenen Bereichen: von der Anamnese über die körperliche Untersuchung bis hin zur praktischen Umsetzung pflegerischer Maßnahmen. Im Gegensatz zu realen Patienten bietet die Simulation die Möglichkeit, Szenarien und Untersuchungstechniken beliebig oft zu wiederholen und zu variieren.