Aktionstag
MHB zeigt Flagge am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen
Neuruppin, 25. November 2024
Heute am 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, wird international auf die nach wie vor alltägliche Gewalt gegen Frauen [1] aufmerksam gemacht. Die MHB schließt sich mit dem Hissen der Fahne der UN-Women-Aktion Kampagne "Orange the world" an. Denn die Zahlen steigen:
- 180.715 Frauen wurden im Jahr 2023 in Deutschland Opfer von häuslicher Gewalt
- Jeden 2. Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet
- 938 Tötungsdelikte wurden von der Polizei an Frauen und Mädchen im letzten Jahr registriert. Bei 360 Mädchen und Frauen waren die Tötungsdelikte vollendet.
MHB-Professor Prof. Knut Albrecht macht als Leiter des Brandenburger Instituts für Rechtsmedizin mit einer Plakataktion: "Schweigen hilft nur Tätern" ebenfalls auf das Thema aufmerksam. Gewalt gegen Frauen ist kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem. Um Femizide[2] zu verhindern, müssen alle Vorstufen der Gewalt als solche anerkannt, immer ernst genommen und bekämpft werden, dazu gehören beispielsweise auch das konsequente Vorgehen gegen psychische Drangsalierungen wie zum Beispiel Ghosting, Silencing, Stalking sowie Mobbing.
Trotz der hohen und steigenden Zahlen ist diese Gewalt immer noch ein Tabu - die Betroffenen fürchten den Weg zur Polizei, aus Scham, aus Angst vor den Tätern, aber auch, weil sie befürchten, dass ihnen nicht geglaubt wird. Studien zeigen, dass derartige Befürchtungen auch berechtigt sind.[3],[4]
Findet Gewalt im engsten Umfeld[5] statt, sind auch Kinder und Pflegebedürftige betroffen. Laut Statistik sind im Land Brandenburg Frauen zwischen 18 und 40 Jahren besonders gefährdet, Gewalt durch Männer zu erleben. Das Ministerium für Sozials, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg stellt dazu den Landesplan gegen Gewalt an Frauen und Kindern vor.
Häufig übersehen wird bei alledem die Not der älteren Frauen. Frauen im höheren Lebensalter erleben oft weniger körperliche und sexuelle Gewalt als vielmehr psychische, so beispielsweise Erniedrigungen, Zwang und Kontrollverhalten. Rund 17 Prozent der Frauen bis 75 Jahre berichten von derartiger Gewalt in ihrer Partnerschaft. Häufig handelt es sich um langjähriges Erleben derartiger Gewalt, sodass das Selbstbewusstsein derartig sinkt, dass Unterstützungsangebote kaum in Anspruch genommen werden. Scham spielt hierbei eine große Rolle.
Seniorinnen erleben aufgrund der höheren Lebenserwartung neben der Gewalt im häuslichen Bereich aber auch institutionelle Gewalt, beispielsweise durch Pflege- und Klinikpersonal. Die Androhung der unterlassenen Hilfe als Form von seelischer Gewalt ist dabei ein zentrales Element, aber auch die tatsächliche Vernachlässigung und Einschränkung der persönlichen Freiheit sind Szenarien, die besonders Seniorinnen betreffen können.[6] Mit steigender Zahl demenzieller Erkrankungen – die wiederum Frauen häufiger betreffen[7] - steigt für sie auch das Risiko, Zwang durch das Versorgungssystem zu erleben, potenziell an.
Besonders gefährdet sind hierbei die, die keine Ansprechpersonen mehr haben.
Die Schaffung und Stärkung sozialer Netzwerke können einen ersten Schritt zur Prävention darstellen. Der Gesundheitssektor gerät daher zum Thema Gewalt bei älteren Menschen besonders in den Fokus. Steigender Fachkräftemangel bei gleichzeitig steigendem Pflegebedarf begünstigt infolge der Überforderung der Fachkräfte Gewalt in Versorgungssettings.[8] Das Problem wurde vom Gesetzgeber bereits in den 1990er-Jahren angegangen[9], aber konnte bislang nicht beseitigt werden. Sensibilisierungsaktionen wie zuletzt „Gewaltfrei pflegen“ von der AOK im Zusammenschluss mit Pflegeverbänden sind Teil der Arbeit.[10]
Viele betroffene Frauen werden durch den langjährigen Missbrauch krank und erst dann geraten sie wieder in den Blick von Hilfsinstitutionen – im besten Falle sind Kliniker:innen und Pflegende dann ausreichend sensibilisiert, sodass das Grundproblem erkannt und Unterstützung erreicht werden kann. Im schlechtesten Fall treffen diese Frauen auf eine Versorgungslandschaft, in der die Gewalt fortgesetzt wird, sodass es kein Entkommen gibt.[11]
"Oberstes Ziel auch an der MHB ist es, den individuellen und den systemischen Blick für individuelle Bedürfnisse in der Versorgung zu schärfen. Der MHB-Forschungsschwerpunkt der patient:innenzentrierten Versorgung der alternden Gesellschaft weist darauf hin, dass der Blick auf das Individuum ausgerichtet sein muss und dessen Verlauf des Lebens zu fokussieren ist, um nachhaltige Perspektiven zu erhalten oder schaffen", so MHB-Gleichstellungsbeauftragte Georgia Fehler.
Gewalt gegen Frauen ist häufig ein kontinuierliches Problem im Lebenslauf, das Gesundheitssystem ist ein wichtiger Baustein in der Unterbrechung von Gewalt. Schauen Sie nicht weg, Sie können etwas tun, so Georgia Fehler weiter.
Externe Anlaufstellen und Materialien zur Vertiefung finden Sie beispielsweise hier:
- Frauennotruf: 03391 2303 – auch für Personen aus dem Umfeld der Betroffenen
- Pflege in Not Brandenburg (PiN): 0800 265 55 66 (kostenfrei), erreichbar: Mo 9–12 Uhr, Mi 14–18 Uhr, Fr 9–12 und 13–17 Uhr (Anrufbeantworter außerhalb der Sprechzeiten). Auch eine spezielle Beratung für die professionelle Pflege ist möglich. E-Mail: mail@pinbrandenburg.de; Internet: https://www.pflege-in-not-brandenburg.de
- Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums
Telefon: 030-20 17 91 31 - Pflege in Not Berlin
Telefon: 030-69 59 89 89 - PSU-Helpline – Kollegiale psychosoziale Unterstützung
Telefon: 0800 09 11 91 2
erreichbar: täglich 9–21 Uhr
E-Mail: beratung@psu-helpline.de
Weiteres auf der Website
- Rechtsmedizinische Beratungsstelle Patientenversorgung und Pflege
Telefon: 089 21 80 73 01 1
erreichbar jederzeit über www.remed-care.de
Weiteres auf der Website. - Handeln statt Misshandeln (HsM) – Frankfurter Initiative gegen Gewalt im Alter
Telefon: 069-20 28 25 30
Eine Liste mit diesen und weiteren Notfallkontakten finden Sie auch im ZQP-Ratgeber „Gewalt vorbeugen. Praxistipps für den Pflegealltag“
In Neuruppin werden diverse Veranstaltungen anlässlich der Kampagne angeboten:
- 27. November I 17 Uhr I Museum Neuruppin: Dokumentarfilm „Freier Wille?“ zum Thema Zwangsprostitution + anschließendes Gespräch mit einem Streetworker
- 29. November I 17 Uhr I Turnhalle am Schinkelgymnasium Neuruppin: Selbstverteidigungskurs für Frauen
- 03. Dezember I 18 Uhr I Museum Neuruppin: Christina Clemm liest aus ihrem Buch „Gegen Frauenhass“
Quellen:
https://www.hilfetelefon.de/aktuelles/haeusliche-gewalt-gegen-aeltere-frauen-ist-noch-immer-ein-tabu.html
https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/infothek/gewalt-gegen-seniorinnen/merkmale-und-tatsachen.html
https://www.hamburg.de/opferschutz-fachthemen/4628496/gewalt-gegen-aeltere-frauen/
https://www.deutschlandfunkkultur.de/gewalt-gegen-aeltere-frauen-100.html
https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94918/b0b7504ee1174ced05275875fcbc72a5/prm-24194-sr-band-217-data.pdf
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/11/frauen-haeusliche-gewalt-frauenhaus-sozialministerium-brandenburg-berlin.html
[1] Mit Frauen sind all diejenigen Personen gemeint, denen das weibliche Geschlecht zugewiesen wird oder die es für sich selbst beanspruchen
[2] https://www.onebillionrising.de/femizid-opfer-meldungen-2023/#:~:text=2023%3A%20Schon%20293%20T%C3%A4ter%20!!!&text=%23Femizid%20in%20Deutschland%202023%20%E2%80%A2,%2C%205%20J%2C%205%20J.
[3] https://www.bmfsfj.de/resource/blob/84328/3bc38377b11cf9ebb2dcac9a8dc37b67/langfassung-studie-frauen-teil-eins-data.pdf
[4] https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1065038
[5] https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93970/957833aefeaf612d9806caf1d147416b/gewalt-paarbeziehungen-data.pdf
[6] https://www.zqp.de/thema/haeufigkeit-gewalt-pflege/
[7] https://demenzjournal.com/magazin/wissen/forschung/warum-frauen-oefter-an-alzheimer-erkranken/
[8] https://www.zqp.de/schwerpunkt/gewalt-pflege/
[9] https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94918/b0b7504ee1174ced05275875fcbc72a5/prm-24194-sr-band-217-data.pdf
[10] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/138743/Aktion-gegen-Gewalt-in-der-Pflege-gestartet
[11] https://www.angehoerige-pflegen.de/gewalt-in-der-pflege-wie-sie-konflikten-vorbeugen-koennen/