GäDH-Kurs auf Schloss Wiepersdorf
MHB-Studierende setzen sich mit der Medizin in verschiedenen Epochen auseinander
Neuruppin, 4. August 2023
In diesem Sommer wurden die Medizin-Studierenden des 8. Semesters der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) von der Kulturstiftung des Landes Brandenburg auf das Schloss Wiepersdorf im Niederen Fläming zur Summerschool Medical Humanities „Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns“ (GäDH) eingeladen. Prof. Dr. Andreas Jüttemann (Medizingeschichte) ist derzeit Stipendiat im Schloss und organisierte dort einen dreitägigen Gruppenaufenthalt für seine Studierenden. Die GäDH-School findet sonst an einem der MHB-Standorte statt und war vorher noch nie in den Landkreisen Teltow-Fläming und Elbe-Elster zu Gast.
Im Rahmen des GäDH-Kurses haben die Studierenden an drei Tagen Inhalte erarbeitet und sich vor allem mit der Medizin in der Epoche der Romantik auseinandergesetzt. „Wichtig für die angehenden Mediziner*innen ist auch die Kenntnis von Behandlungsmethoden früherer Epochen. Die erste Cholera-Epidemie in Brandenburg 1831 führte zum Beispiel, dazu, dass in unserer Region früh ein Trink- und Abwassersystem entwickelt wurde und die ersten Infektionsschutzgesetze in Preußen erlassen wurde“, meint Andreas Jüttemann.
Medizingeschichte an authentischen Orten erleben
Die Situation der Medizin in den letzten Jahren der DDR – analog zu den Forschungsschwerpunkten der Kulturstiftung des Landes – konnte ebenfalls als Thema gewählt werden. Es sind beispielsweise Arbeiten zu Cholera, Syphilis und Typhus in Brandenburg Anfang des 19. Jahrhunderts, aber auch zu westdeutschen Medikamentenversuchen und dem Umgang mit HIV in der DDR der 1980er-Jahre entstanden. Neben der Arbeit vor Ort unternahmen die Studierenden mit Prof. Jüttemann auch Exkursionen in den Bunker der sowjetischen Streitkräfte Stolzenhain im Wald bei Wiepersdorf. In diesem wurden während des Kalten Krieges auch zahlreiche Atomsprengköpfe gelagert. Ein weiteres Ziel war das ehemalige Garnisonslazarett bei Jüterbog, einst eines der größten Militärkrankenhäuser der Region. Jüttemann ist glücklich, dass diese Exkursion möglich wurde: „Medizingeschichte kann am authentischen Ort besser erlebbar gemacht werden als mithilfe von Powerpointvorträgen und historischer Textpassagen.“
Auch die praktische Tätigkeit durfte nicht fehlen: Die Seminarteilnehmenden wurden im Anschluss an den Kurs vom ärztlichen Direktor des MHB-Kooperationskrankenhauses Herzberg/Elster, Prof. Dr. Roland Reinehr, spontan zu einem Endoskopie-Crashkurs eingeladen und durften das moderne Elbe-Elster-Klinikum besichtigen.
Das barocke Gutshaus Wiepersdorf wurde um 1735 erbaut und gehörte seit 1780 der Familie von Arnim. 1811 heirateten Bettina und Achim von Arnim und zogen kurze Zeit später in das ländliche Wiepersdorf. Bettina von Arnim sollte eine der bekanntesten Schriftstellerinnen in der Epoche der Romantik (Anfang des 19. Jahrhunderts) werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ihre Nachfahren von der sowjetischen Besatzung enteignet. Der Deutsche Schriftstellerverband übernahm aufgrund einer Verordnung des DDR-Ministerrats das Haus, das bei Schriftsteller*innen der DDR, beispielsweise Anna Seghers, als zeitweilige Residenz sehr beliebt war. Nach der Wiedervereinigung übernahm 1990 die „Stiftung Kulturfonds“ das Anwesen in Wiepersdorf. Später sanierte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit großem Engagement das Schlossensemble. Im Juli 2019 gründete das Land Brandenburg eine öffentlich-rechtliche Kulturstiftung. Die Kulturstiftung erhält vom Land jährliche Zuwendungen.
Zum Abschluss des Semesters gemeinsam im Schlosspark Wiepersdorf
Zweck der Stiftung ist der Betrieb der Residenz Schloss Wiepersdorf zur Förderung von Stipendiat*innen aus Kunst und Wissenschaft. Die Kulturstiftung ist eine Organisation zur Pflege von Kunst, Kultur und Wissenschaft durch ein interdisziplinäres und internationales Residenzprogramm. Dazu gewährt sie Arbeits- und Aufenthaltsstipendien sowie Gruppenstipendien verbunden mit der Möglichkeit zu interdisziplinärem, überregionalem und internationalem Austausch. Gleichzeitig erinnert sie mit einem aktuellen Fokus an die Geschichte des Hauses durch Ausstellungen sowie Programme zur Epoche und Geisteshaltung der Romantik sowie zur deutsch-deutschen Geschichte.
Neben dem inhaltlichen Programm konnten die Studierenden des 8. Semesters, die sich derzeit im dezentralen Abschnitt ihres Studiums befinden und ihre Kommiliton*innen der anderen Standorte nur noch selten sehen, die gemeinsame Zeit zum Abschluss des Semesters nach der Prüfungsphase auf dem Schloss und im großzügigen Schlosspark genießen. Die MHB-Studierende Janis Pehl resümiert: "Die Summerschool 2023 in Wiepersdorf war ein gelungener Semesterabschluss, der mich nach einer herausfordernden Prüfungsphase nachhaltig zum Denken angeregte und neue Interessen weckte. Es ist spannend, das Land Brandenburg auf eine medizinhistorische Weise kennenzulernen und Bezüge zur Geschichte und meinem jetzigen und auch späteren ärztlichen Handeln herzustellen und die Nähe zu den aktuellen politischen Ereignissen zu spüren."