IAG Heart & Brain stellt sich auf dem MHB-Symposium „Cardiovascular Science“ vor
Wie sich Herz und Hirn gegenseitig beeinflussen
Neuruppin, 8. August 2023
Die enge Bindung zwischen Herz und Hirn besteht nicht erst seit "Ekel" Alfred, dem aufbrausenden Vater aus der 1970er-Jahre-TV-Sendung „Ein Herz und eine Seele“. Die Integrierte Arbeitsgruppe IAG Heart & Brain an der MHB vereint Kardio*-, Psych*-, und Neuro*-Disziplinen. Sie stellte sich auf dem jüngsten Symposium des Forschungsbereichs Kardiovaskuläre Erkrankungen in einer eigenen Session vor.
Prof. Dr. Anja Haase-Fielitz und PD Dr. Kerstin Jost, Sprecherinnen der IAG Heart & Brain, haben Einblicke in die vielfältigen Wechselwirkungen von Herz und Hirn, beispielsweise das ‚Broken Heart Syndrom‘ gegeben. Bei diesem kann es durch extreme emotionale Belastung zu einem plötzlichen Funktionsverlust des Herzens kommen, der symptomatisch einem Herzinfarkt ähnelt. Die Herz-Hirn-Achse ist aber auch an anderen Pathologien maßgeblich beteiligt. Neben dem ‚Broken Heart' gibt es auch das ‚Stroke Heart Syndrome‘ – kardiale Ereignisse wie Rhythmusstörungen nach einem schweren ischämischen Schlaganfall. Interessanterweise haben Menschen mit psychischen Erkrankungen ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko, zusätzlich eine kardiovaskuläre Erkrankung zu bekommen – höher noch als bei Patient:innen mit Adipositas oder Diabetes. Mittlerweile gibt es viele Studien, die im Rahmen der IAG Heart & Brain laufen und von denen im Rahmen der Sitzung einige vorgestellt wurden:
Pupillengröße ist ein Marker für Balance zwischen Vagus und Sympathikus
PURE: Dr. Susanne Fichtner und Alexander Kleinau haben erste Ergebnisse der PURE-Studie vorgestellt. Dazu rekrutieren sie derzeit akut dekompensierte Herzinsuffizienzpatient:innen am Herzzentrum Bernau und sie analysieren deren Pupillenreaktionen im Ruhezustand sowie kognitiver Beanspruchung. Bei akuter Herzinsuffizienz ist das Zusammenspiel zwischen Vagus und Sympathikus gestört. Die Pupillengröße ist ein Marker für die Balance zwischen Vagus und Sympathikus. Ziel der Studie ist es, zu prüfen, ob Pupillenparameter geeignet sind, um den Verlauf der Herzinsuffizienz vorherzusagen, beispielsweise die Entstehung eines Schlaganfalls, Herzinfarkts oder Mortalität. Stand heute wurden bereits 70 Prozent der avisierten Proband:innen integriert.
Depression wirkt sich mit zunehmendem Alter stärker auf körperliche Symptome aus
DEPRES: Josephine Hoffmann vom Herzzentrum Bernau und Yasmin Dalati aus der Psychiatrie Rüdersdorf haben zusammen über die DEPRES-Studie informiert. Bei dieser wird untersucht, wie viele Patient:innen mit Vorhofflimmern eine depressive Symptomatik aufweisen. Interessanterweise wirken sich Depressionen mit zunehmendem Alter stärker auf körperliche Symptome aus und weniger auf die Stimmung. Die verkürzte Lebenszeit von im Schnitt zehn Jahren ist – neben Suiziden – vor allem auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurückzuführen. In der Studie wurden insgesamt 100 vor allem ältere, stationäre Patient:innen des Herzzentrums Brandenburg und ambulante Patient*innen der Hochschulambulanz Bernau mit Vorhofflimmern hinsichtlich ihrer Stimmung, Schlaf, Appetit und negativen Gedanken befragt, um die Stärke der depressiven Symptomatik zu evaluieren. Die ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass bei zirka der Hälfte aller Patient:innen klinisch relevante Hinweise auf depressive Symptomatik in der Fremdbeurteilung festgestellt wurde – davon hatte nur jede*r fünfte eine bekannte Depression zuvor. Viele der befragten Personen würden gerne professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Trotz ihres hohen Alters wäre ein Drittel der befragten Patient:innen auch gegenüber einer digitalen Lösung – einer Smartphone-App – offen. Die beiden Forscherinnen möchten bei der internen Forschungsförderung der MHB einen Förderantrag für eine Nachfolgestudie APRES stellen, bei der sie die Nutzung einer App zur Behandlung einer komorbiden Depression bei Vorhofflimmern evaluieren möchten.
Durch das Blickverhalten lassen sich Experten erkennen
DECODE: Dr. Jochen Laubrock, ehemaliger Gastprofessor für Allgemeine Psychologie an der MHB, heute an der Uni Potsdam, informierte über die DECODE-Studie, die er mit Alexander Krutz und Prof. Sebastian Spethmann während eines Wissenschaftspraktikums durchgeführt hat und deren Ergebnisse im "Journal of Medical Imaging" publiziert wurden. In dem Projekt wurde mittels Eyetracking das Blickverhalten während der Auswertung von Echokardiografie-Bildern zwischen 15 MHB-Studierenden und 15 erfahrenen Diagnostiker:innen verglichen. Die gute Nachricht: Die Expert:innen gaben tatsächlich sehr viel häufiger eine korrekte Diagnose. Das Eyetracking zeigte darüber hinaus, dass die Expert:innen schneller und länger auf die diagnostisch-relevanten Regionen schauten – die linksventrikuläre Ejektionsfraktion. Studierende ließen sich stark von der blinzelnden Mitralklappe ablenken. Allein auf Grundlage des Blickverhaltens konnte man Expert:innen von Novizen bereits sehr gut unterscheiden. Während der Diskussion kam die spannende Frage auf, ob Studierende ihre Diagnosefähigkeit verbessern könnten, wenn man ihnen einfache Anweisungen geben würde, wie sie ihr Blickverhalten steuern sollen. Eine Follow-Up-Messung der Studierenden ist bereits in Planung.
Wie stehen Patient:innen digitalen Hilfen gegenüber?
DIPAH: Dunja Bruch, M.Sc., die sowohl am Herzzentrum Bernau als auch in der Psychiatrie in Rüdersdorf wirkt, hat stellvertretend für ihre vielen Kolleg*innen die durch den Innovationsfonds des Bundes geförderte Mixed-Methods Studie DIPAH vorgestellt. Versicherten Patient:innen mit Hypertonie wurden bereits durch ihre Kollegin Dr. Eileen Wengemuth ausführlich befragt: Was sind deren aktuelle Behandlungspfade und wie stehen sie digitalen Lösungen gegenüber? Förderliche Faktoren, die genannt wurden, um präventive Maßnahmen zu ergreifen, waren beispielsweise: viel motivierter zu sein, etwas zu tun, nachdem sie die Diagnose einer Herzerkrankung erhalten haben und soziale Unterstützung zu erhalten, beispielsweise durch eine Person, die sie triezt. Hinderlich sind zum Beispiel familiäre Belastungen, sodass keine Zeit bleibt, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern. Datenschutz wurde auch als Grund genannt, warum Apps nicht genutzt wurden. Bei anderen Teilnehmer*innen gab es dazu keine Bedenken, da man mittlerweile „sowieso ein offenes Buch“ sei. Außerdem wurden Nutzer*innen einer Blutdruck-App befragt. Hinderlich sei zum Beispiel, wenn die Ärzt*innen es nicht positiv aufnehmen, wenn jemand seine Blutdruckwerte systematisch erfasst. Digitale Lösungen werden vor allem von gebildeten Patient:innen genutzt und man muss aufpassen, dass man bildungsferne Patient*innen durch digitale Lösungen nicht noch weiter abhängt.
Mehr Informationen zur IAG Heart & Brain gibt es hier.