Alter Anstaltsfriedhof in Neuruppin
Gemeinsam für die Erinnerung: MHB, Kirche und Stadt enthüllen Tafel
Neuruppin, 22. November 2024
Am ehemaligen Anstaltsfriedhof in Neuruppin Treskow ist am 19. November eine Gedenk- und Informationstafel offiziell übergeben worden. Das Schild informiert über den Friedhof, der vor mehr als 100 Jahren angelegt und in den 1970er-Jahren aufgegeben wurde, sowie über den Umgang mit den Menschen, die dort bestattet worden sind. Das Areal war mit der 1897 Landesanstalt Neuruppin (heute Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg), in der mehr als 1000 psychisch kranke Menschen behandelt wurden, verbunden. Patient:innen und Pflegepersonal ohne Angehörige konnten dort beigesetzt werden.
Mit Beginn des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms T4, dem systematischen Massenmord an psychisch kranken und körperlich beeinträchtigten Menschen, wurde auch die Neuruppiner Klinik zu einer Zwischenanstalt. Hier wurden die Ankommenden erfasst und in sogenannte Tötungsanstalten in Brandenburg an der Havel und Bernburg an der Saale verlegt. Auch nach dem Ende des T4-Programms im August 1941 ging im Dritten Reich das Morden durch Medikamentengabe, Vernachlässigung und Hungertod in vielen Anstalten weiter. Viele Opfer wurden auf dem Anstaltsfriedhof beerdigt. Etliche Todesfälle gab es auch im Mai 1945. Am 1. Mai marschierte die Rote Armee in Neuruppin ein und besetzte die Landesanstalt, wobei es auch zu Gewalttaten gegen die dort angestellten Frauen kam, die sich anschließend das Leben nahmen. Teile des Personals nahmen sich aber auch das Leben, weil sie an dem Euthanasieprogramm beteiligt waren.
Die komplette Historie des Friedhofs, der heute zum benachbarten Verein Lebensräume gehört, ist auf der Tafel nachzulesen. Diese ist auf Initiative der Arbeitsgruppe „Geschichte der Medizin und Psychologie“ des Instituts für Anatomie der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) aufgestellt worden. Bereits im Jahr 2017 hatten sich MHB-Studierende erstmals mit dem Friedhof und seiner Geschichte auseinandergesetzt. Der Arbeitskreis, dem auch Vertreter der Kirche und des Universitätsklinikums Ruppin-Brandenburg (ukrb) angehören, bildete sich 2021.
„Es ist ein Ort, den wir gerade wiederentdecken. Er ist nicht unbekannt, wird durch die Tafel aber anders ins Bewusstsein gerückt“, sagte Neuruppins Bürgermeister Nico Ruhle bei der Vorstellung der Tafel. Er bezeichnete die Initiative als tolles Gemeinschaftsprojekt und bedankte sich bei der Arbeitsgruppe für deren Einsatz. Pfarrer Thomas Klemm-Wollny bedankte sich vor allem bei der Klinik-Archivarin für deren Unterstützung, durch deren Hilfen unter anderem Grabfelder lokalisiert und das Wissen um die Friedhofsgeschichte bewahrt werden konnte.
Medizinhistoriker Prof. Andreas Jüttemann betonte, dass es immer schwierig sei, an einem Ort Gedenken und Information gleichzeitig zu ermöglichen. „Viele Menschen sind in den zurückliegenden Jahren an dem Friedhof vorbeigelaufen. Ich denke, dass sich das mit der Tafel ändert“, sagte er.
Die Tafel wurde vom Brandenburgischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, von der Stiftung Soziales Ruppin sowie der MHB gefördert und von der Neuruppiner Künstlerin Geli Schulze gestaltet.
Standort der Tafel: Portal des Friedhofs (Koordinaten: 52.898712, 12.797130) am Fußweg zwischen den Häusern Fehrbelliner Str. 45C und Bechliner Weg 12 am sog. Treskower Berg. Begrenzte Parkmöglichkeiten vor der Einrichtung Lebensräume (Fehrbelliner Str. 45A).