Trauma nach Intensivstation
Forschende & Hausärzt*innen aus Brandenburg an wichtiger Studie beteiligt

Neuruppin, 21. Mai 2025
Von einem lebensrettenden Aufenthalt auf der Intensivstation können traumatische Erinnerungen zurückbleiben – nicht selten verbunden mit langanhaltenden psychischen Beschwerden. Schließlich ging es für die Erkrankten oder Verletzten oft um Leben oder Tod. Wie auch bei anderen traumatischen, lebensbedrohlichen Erlebnissen kämpft etwa ein Fünftel der Betroffenen noch über Monate und Jahre mit wiederkehrenden Albträumen und inneren Bildern, die wie real erlebt werden: Dies können Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sein. Diese Störung der Erinnerung geht mit großem Leidensdruck und oft weiteren psychischen Erkrankungen einher. Bei mehr als zwei Millionen intensivmedizinischen Behandlungsfällen pro Jahr ist in Deutschland eine durchaus relevante Anzahl von Menschen betroffen.
Angesichts dieser hohen Zahl stellt sich die Frage nach der Weiterbehandlung. Die meisten dieser Patient*innen werden nach Entlassung aus der stationären Versorgung in ihrer Hausarztpraxis weiterbehandelt. „Hier fehlen bislang Konzepte für Diagnostik und Therapie, viele Betroffene vermeiden es, ihre Beschwerden anzusprechen und die Wartezeiten für eine spezialisierte Trauma-Therapie sind nicht nur in Brandenburg lang“, sagt Prof. Dr. Konrad Schmidt, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB).
Diese offensichtliche Versorgungslücke könnte nun durch die PICTURE-Studie geschlossen werden: Hier wurde speziell für die Hausärzt*innen eine Kurzform der sogenannten "Narrativen Gesprächstherapie (NET)" entwickelt. Grundprinzip der NET ist es, Erinnerungen und Gefühle wieder in die richtige zeitliche Ordnung zu bringen und so die emotionale Verarbeitung zu fördern.
Das Verfahren wurde schon in vielen Ländern des globalen Südens erfolgreich angewandt, in denen sich oft eine hohe Zahl traumatisierter Menschen und kaum Fachspezialisten gegenüberstehen. „In PICTURE wurde die praxistauglich verkürzte NET randomisiert-kontrolliert in insgesamt 319 Hausarztpraxen getestet - mit erfreulichem Resultat: Sogar noch sechs Monate nach dem letzten Gespräch waren die Beschwerden deutlich reduziert“, berichtet Prof. Schmidt (Bild).
Die Ergebnisse des durch die Ludwig-Maximilians-Universität in München koordinierten Forschungsteams wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift "British Medical Journal" veröffentlicht, einer der bislang impaktstärksten (IF 2024=93,6) Publikationen mit MHB-Affiliation, was die hohe wissenschaftliche Bedeutung der Veröffentlichung unterstreicht. Geteilter Erstautor ist Prof. Schmidt: "Da viele psychische Beschwerden oft mit traumatischen Erinnerungen zusammenhängen und die behandelnden Hausärztinnen und Hausärzte für die meisten Menschen erste Ansprechpartner sind, birgt diese einfache Therapie ein wirklich hohes Potenzial zur Verbesserung der Versorgung", schätzt er ein.
Auch wenn die MHB nicht offiziell als Studienzentrum beteiligt war, waren es doch mehrere Hausärzt*innen des MHB-Forschungspraxennetzes, wie beispielsweise Stefan Höhne aus Zehdenick. Er zieht folgende Bilanz: "Hier ist es einmal gelungen, wissenschaftliche Qualität in den oft hektischen hausärztlichen Alltag zu bringen. Meine Studienteilnehmenden und auch ich selbst haben sehr von der Methode profitiert."
Originalpublikation: „Effects of a general practitioner-led brief narrative exposure intervention on symptoms of post-traumatic stress disorder after intensive care (PICTURE): multicentre, observer blind, randomised controlled trial“
doi: https://doi.org/10.1136/bmj-2024-082092
Kontakt:
Prof. Dr. Konrad Schmidt
E-Mail: allgemeinmedizin@mhb-fontane.de
