Zahnmedizin
Brandenburg Spirit: Praxisorientiertes Lernen von Anfang an

Brandenburg an der Havel, 23. April 2025
Mit frischem Wind, gezielt interdisziplinären Ansätzen und der Vision einer neuen Generation von Dozenten und Jungprofessoren erlebt das Studium ein echtes Upgrade, mit Themen, die bisher nur verhalten zum gängigen Lehrkanon gehörten. Von frühestem Einbinden praktischer Anwendungen über das Erlernen kommunikativer Kompetenzen bis hin zu Praxismanagement. Ein Vertreter dieses Aufschwungs ist Prof. Dr. Gerhard Schmalz. Seit Oktober 2024 ist er Brandenburgs erster Zahnmedizin-Professor an der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) und steht uns Rede und Antwort im Exklusivinterview.
Herr Prof. Schmalz, das Studium der Zahnmedizin in Brandenburg an der Havel wird nach der neuesten Modellklausel angeboten, was heißt das konkret?
Zunächst folgt der brandenburgische Modellstudiengang Zahnmedizin (BMZ) natürlich der aktuellen Approbationsordnung für Zahnärzte. Hierbei gibt es im Grundaufbau jedoch einige wesentliche Unterschiede zum Regelstudiengang. So beginnen die Studierenden im Studium frühzeitig mit der praktischen Arbeit an dentalen Simulatoren. Im dritten Semester findet beispielsweise bereits der Simulationskurs Zahnerhaltungskunde und Parodontologie statt. Insgesamt arbeiten wir im BMZ mit einem hohen Anteil an praktischer Lehre. Daneben werden die Grundlagen mit den zahnmedizinischen Inhalten verzahnt. Somit werden Anatomie, Biochemie und Physiologie nach Möglichkeit direkt mit zahnmedizinischen oder klinischen Themen verknüpft – beispielsweise Schmerz (Physiologie), topografische Anatomie der Mundhöhle (Anatomie) und Lokalanästhesie (Zahnmedizin). Dies soll zu einem nachhaltigeren Lernen führen. Hierzu gehört auch, dass sich die Studierenden ab dem ersten Semester in Form von Problemorientiertem Lernen (POL) viele Studieninhalte selbstständig und zielorientiert erarbeiten. Daneben sind Praxistage in der Haus- und Zahnarztpraxis inkludiert. Weiterhin werden Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens vermittelt und ein Wissenschaftspraktikum angeboten. Ergänzt werden diese Elemente durch übergeordnete (zahn-)medizinische Inhalte wie Kommunikation oder Sozialmedizin. All diese Bausteine sollen dazu führen, dass unsere Studierenden frühzeitig Kenntnisse und Fertigkeiten entwickeln, um diese ab dem siebten Fachsemester in vollintegrierten Behandlungskursen schließlich im Rahmen der Arbeit mit Patienten vertiefen zu können. Damit dies gelingen kann, arbeitet ein hochgradig engagiertes und interprofessionell aufgestelltes Team kontinuierlich am Studiengang.
Wie wollen Sie die Verbindung zwischen Mundgesundheit und allgemeiner Gesundheit im neuen Modellstudiengang umsetzen und voranbringen?
Dieser Themenbereich liegt mir natürlich sehr am Herzen. Auch hier kommt mir der Grundgedanke des BMZ sehr entgegen. So, wie wir Grundlagen mit klinischen Inhalten verknüpfen, bringen wir auch die allgemeinen medizinischen Themen in den Kontext der Zahnmedizin. Konkret heißt das, dass wir Verbindungen zwischen Mund- und Allgemeingesundheit aktiv für das Verständnis der Lehrinhalte nutzen. Beispielsweise führen wir Vorlesungsveranstaltungen zu den Themen Parodontitis und Atherosklerose oder Parodontitis und rheumatische Erkrankungen durch, bei denen jeweils ein Dozierender aus der Inneren Medizin und aus der Zahnmedizin die Inhalte aus der entsprechenden Fach-Perspektive darstellt. Ein weiterer Punkt ist, dass wir hierzu auch „das große Ganze“ und die Patientenperspektive berücksichtigen möchten. Ein gutes Beispiel ist unsere geplante „Raucherwoche“, die wir gerade konzipieren. In dieser nutzen wir das Thema Rauchen als Überschrift, um die Auswirkungen des Rauchens auf die Mundgesundheit, aber auch den Umgang mit diesem Thema im Praxisalltag auf Patientenebene zu erarbeiten. Hierzu zählen nunmehr auch die Themen Sucht und Rauchentwöhnung bzw. Verhaltensänderung sowie Schadensminderung und Prävention. Zusätzlich werden die Studierenden auf lange Sicht auch davon profitieren, dass wir das Thema Zusammenwirken von Mund- und Allgemeingesundheit am Standort wissenschaftlich verankern. So können unsere Studierenden im Rahmen des Wissenschaftspraktikums oder einer Promotion auch entsprechende Fragestellungen bearbeiten und ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge zwischen oraler und systemischer Gesundheit entwickeln.
Stichwort Kommunikation: Wie stellt die Lehre in Brandenburg sicher, dass angehende Zahnärzte darin Kompetenz erwerben?
Kommunikative Kompetenzen, ein hohes Maß an Empathie und eine gute nonverbale und verbale Interaktion sind für Zahnärzte essenziell. Auch strukturiertes Kommunizieren – gerade bei Aufklärungsgesprächen oder Instruktionen – ist in der Zahnmedizin bedeutsam. In der Ausbildung im BMZ haben die Themen Kommunikation, Patientenperspektive und entsprechende psychologische Aspekte daher einen sehr großen Stellenwert und werden unmittelbar in die Lehrveranstaltungen integriert. Im Kern bearbeiten wir an der MHB diesen Schwerpunkt jedoch in TRIK – Teamarbeit, Reflexion, Interaktion, Kommunikation. TRIK läuft longitudinal über das gesamte Studium und beinhaltet vielfältige Grundkompetenzen im Umgang mit Patienten, welche beispielsweise mit Schauspielpersonen in simulierten Gesprächen geschult werden. Hiermit beginnen wir im BMZ sehr früh im Studium, um entsprechende Inhalte langfristig zu verankern. Dabei gehen wir weit über die bloße Integration des Themas Kommunikation im Lehrplan hinaus und machen es zu einem zentralen Element im Zahnmedizinstudium.
Das Interview führte Marlene Hartinger für zwp-online, wo es auch zuerst veröffentlicht wurde.