Interview
„Alle haben die MHB als großen Mehrwert empfunden“
Neuruppin, 13. Februar 2024
Cindy und Sinah Stern sind Schwestern und studieren Medizin an der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB). Cindy Stern hat im vergangenen Jahr erfolgreich ihr Staatsexamen gemacht und absolviert derzeit ihr Praktisches Jahr, Sinah Stern befindet sich aktuell im siebten Semester. Wie beide zum Studium gekommen sind und wie sie es erleben, erzählen sie im Interview.
Wo kommen Sie beide ursprünglich her?
Sinah: Aus einer Kleinstadt in Hessen, mit ungefähr 120 000 Einwohner:innen.
Wie sind Sie auf die MHB aufmerksam geworden?
Cindy: Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung zur Rettungsassistentin gemacht und schon währenddessen recherchiert, wie mein Weg ins Medizinstudium aussehen könnte, da sich schon damals abgezeichnet hat, dass das mit den Wartesemestern als Eintritt in das Medizinstudium an staatlichen Hochschulen nicht ewig so weitergeht und eng werden könnte. Ich bin dann auf die Universität Witten/Herdecke aufmerksam geworden und habe überlegt, ob ein Studium dort für mich das Richtige sein könnte und ich mich bewerben sollte. Am Ende habe ich meine Bewerbung nie abgeschickt. Da das Studienkonzept der MHB sich ja zumindest in Teilen an dem Wittener Modell orientiert hat, bin ich im Zuge dessen auch auf die MHB aufmerksam geworden. Ich wollte dann auf den allerletzten Drücker meine Bewerbung an die MHB schicken, jedoch fiel der Bewerbungsschluss auf einen Feiertag und die Post in Berlin hatte überall zu. Ich bin dann durch ganz Berlin gerannt, um noch einen Stempel von dem Tag zu erhalten - und ja, so habe ich mich an Tag 0 an der MHB beworben.
Sinah: Um mir meinen Traum des Medizinstudiums zu ermöglichen, bin ich aufgrund des fehlenden Studienplatzangebotes nach meinem Abitur ins Ausland ausgewichen. Ich habe dann zwei Semester in Sofia, Bulgarien, studiert, wollte aber wieder zurück nach Deutschland, vor allem, weil mir die Nähe zu meiner Familie sehr wichtig war. In Bulgarien habe ich im konventionellen Regelstudiengang studiert, parallel jedoch bei meiner Schwester gesehen, wie praktisch das Medizinstudium sein kann. Ich habe dann an einem Hochschulinformationstag vor Ort in Neuruppin teilgenommen und war sehr begeistert. Daraufhin habe ich dann meine Bewerbung, witzigerweise wie bei meiner Schwester auch, am letzten Tag der Frist für das Wintersemester 2020/21 abgegeben.
Wieso haben Sie sich für die MHB entschieden?
Cindy: Ich habe mich für die MHB entschieden, weil mich der Modellstudiengang vor allem aufgrund des hohen praktischen Anteils gleich vom ersten Semester an sehr angesprochen hat. Das klang für mich alles sehr unique und auch so ein bisschen nach einer anderen Herangehensweise an das Medizinstudium, zumindest im Vergleich zu den vielen staatlichen Studienangeboten. Und ehrlicherweise muss man dazu sagen, ich hatte ja auch nicht so die Auswahl. Ins Ausland zu gehen war für mich nie ein Thema, und ab dem Moment, an dem die Zusage kam und klar war, dass es unter den vielen Bewerbungen für mich geklappt hat, war der Fokus zu 100 Prozent auf der MHB und nicht, wie man doch noch irgendwo anders unterkommen konnte.
Sinah: Ich war gerade im zweiten Semester in Bulgarien, dann begann die Corona-Pandemie und wir hatten sehr viel Online-Lehre, was auch bedeutete: Ich war viel in Deutschland. Die besten Chancen, an eine deutsche staatliche Universität zu wechseln, gibt es nach dem Physikum. Ich hatte also eigentlich damit gerechnet, noch mindestens ein Jahr in Bulgarien zu bleiben. Da ich aber eigentlich je eher je lieber an eine Universität mit Modellstudiengang wechseln wollte, habe ich mich dann auf gut Glück auch an der MHB beworben.
Cindy: War Bulgarien nicht deutlich günstiger als das Studium an der MHB?
Sinah: Stimmt, aber ehrlich gesagt hatte ich mir das Geld für Bulgarien bei unserer Oma geliehen (lacht) und an der MHB gab es zum Glück verschiedene Finanzierungsmodelle, die dafür sorgen, auch ohne Geld von zu Hause studieren zu können.
Welche Erwartungen hatten Sie bei Ihrem Start an der MHB? Die MHB ist ja noch eine sehr junge und auch noch nicht so bekannte Universität.
Cindy: Ich persönlich, keine Speziellen. Ab dem Moment der Zusage war ich einfach so glücklich, dass ich hoch motiviert war, jede kommende Herausforderung zu bewältigen. Was aber auch bedeutet, dass mir in dem Moment die Langfristigkeit, die mit einem Klinikdarlehen und der Finanzierung des Studiums zusammenhängt, gar nicht so präsent war. Da damals nur 48 Studierende pro Jahr immatrikuliert wurden, hatte ich schon die Hoffnung, dass alles einen sehr familiären Charakter haben wird und wir eine hochwertige Ausbildung erhalten. Zwei der Hauptpunkte, die für mich ausschlaggebend für die MHB waren.
Sinah: Als ich angefangen habe, an der MHB zu studieren, warst du gerade im sechsten Semester und bist nach Brandenburg an der Havel gezogen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich gar keine Erwartungen gehabt hätte. Ich war ja durch dich ein wenig informiert und vorbereitet, und es war sehr angenehm für mich, nicht so ins kalte Wasser geworfen zu werden. Durch zwei Semester in Sofia im gleichen Studiengang hatte ich gute aufgefrischte naturwissenschaftliche Grundlagen, und deshalb war das erste Semester vielleicht nicht ganz so stressig für mich. Trotzdem habe ich versucht, mit möglichst geringen Erwartungen ins Studium zu starten, weil ich auch wusste, wie frisch die MHB ist und wie sehr sich bereits mein erstes Semester zu deinem ersten Semester ja auch durch die Rückmeldung der Studierenden verändert und verbessert hatte - nicht zuletzt durch die ständige Weiterentwicklung und Evaluation des Studiengangs. Welche Erwartungen mir jedoch von Beginn an bestätigt wurden, waren einerseits das große Mitspracherecht als Studentin und andererseits der enge Kontakt zu den Dozierenden.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Cindy: Meine Erwartungen wurden um einiges übertroffen. Ab dem ersten Tag war alles megafamiliär. Wir kannten in unserem ersten Semester die ganze Uni. Als vierter Jahrgang waren wir eben erst der vierte Jahrgang. Es gab super guten und engen Kontakt zu den Studierenden. Das Studium war sehr praxisbezogen, rundum betreut und sogar die Umzüge nach Neuruppin und Brandenburg an der Havel haben sich bei mir unkompliziert gestaltet.
Sinah: Was ja so in Bezug auf Wohnungssuche aktuell nicht mehr ganz einfach ist.
Cindy: Ich habe ab dem ersten Semester festgestellt, dass es sehr viel Raum für eigene Ideen und Mitgestaltung gibt und dass man eben auch aus studentischer Seite viel bewegen kann, entweder über Gremien und Ausschüsse oder auch als Studierendenvertreter:innen. Die Erfahrungen waren eigentlich alle durchweg positiv, wenn auch bisschen chaotisch.
Sinah: Mein Studienstart war noch so halb im Corona/Online-Format und dennoch ist der praktische Teil des Studiums nicht zu kurz gekommen. Meine Kommiliton:innen und ich haben Wege gefunden, das Studentenleben in Neuruppin - trotz der erschwerten Startbedingungen durch die Pandemie - zu genießen und ich habe durch das Studium Freunde fürs Leben gefunden. Wir haben super viele Projekte verwirklicht, sei es hochschulpolitisch und studiengangsfördernd oder aber auch sozial im Sinne von Studienfahrten oder Weihnachtsfeiern. Nicht zuletzt habe ich natürlich überproportional viele brandenburgische Städte, Dörfer und Krankenhäuser kennengelernt (lacht).
Was ist gut gelaufen?
Cindy: Insgesamt, auch mit dem Staatsexamen in der Tasche, ist vor allem die inhaltliche Vorbereitung und praktische Ausbildung an der MHB gut gelaufen. Ich habe das Gefühl, dass man in jeglichen Famulaturen und im Praktisches Jahr (PJ) einfach eine sehr gute praktische Vorbereitung in den fünf Jahren erhalten hat. Das wird auch immer wieder zurückgemeldet, auch von nicht MHB-Mitgliedern an nicht MHB-Häusern. Mit Blick auf den 100-Tage-Lernplan und das zweite Staatsexamen ist in den fünf Jahren einfach sehr, sehr viel hängengeblieben, was quasi „nur aufgefrischt“ werden musste.
Sinah: Es gibt einfach einen unendlichen Raum für studentisches Engagement. Hochschulpolitisch oder extracurricular. Wer Lust hat, kann Mitglied in diversen Gremien und Ausschüssen werden und sich aktiv an verschiedenen Projekten beteiligen und die MHB verbessern. Ich habe den Eindruck, alle an der Uni sind sehr kritikfähig, Feedback ist überall erwünscht, und das ist natürlich einerseits auch notwendig an so einer jungen Hochschule, andererseits aber nicht selbstverständlich. In Bulgarien habe ich dahingehend sehr konträre Erfahrungen gemacht, umso mehr schätze ich ein Umfeld, bei dem man nicht einer unter 300 Studierenden im Jahrgang ist.
Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?
Cindy: In erster Linie ganz klar bei den Studiengebühren, weil das auch trotz der vorhandenen Finanzierungsoptionen sehr viel Geld ist und sehr früh eine weitreichende Entscheidung verlangt, die über die fünf Jahre Studium hinausgeht - egal ob Klinikdarlehen oder reine Schulden. Das macht es meiner Meinung nach einfach nicht jeder und jedem zugänglich, sondern setzt halt viele Privilegien voraus, um das zu ermöglichen. Da sehe ich einfach ganz großes Potenzial, das zu verbessern.
Sinah: Meine Verbesserungswünsche für die MHB sehe ich auch eher im finanziellen Bereich und im dezentralen Studienkonzept. Die Studienortwechsel, der spätere Ankerplatz im dezentralen Abschnitt und die vielen verschiedenen Praktika im Brandenburger Land erfordern häufige Wohnortwechsel. Der Wohnungsmarkt in Neuruppin ist gefühlt fast so angespannt wie in Berlin und sowohl logistisch als auch finanziell stellen die Wechsel häufig eine große Herausforderung dar - umziehen und pendeln sind einfach teuer. Zum Glück gibt es seitens der MHB ein paar Möglichkeiten, um neben dem Studium sein Einkommen aufzustocken, zum Beispiel durch kleinere Jobs als studentische Mitarbeitende oder durch Stipendien, auf die man sich jährlich bewerben kann. Hier ist aber auf jeden Fall Luft noch nach oben.
Was zeichnet aus Ihrer Sicht die MHB aus?
Cindy: Für mich zeichnet sich die MHB einerseits durch den familiären Charakter aus, der wirklich ab Tag 1 zu spüren war, andererseits durch das unfassbar große Engagement der Studierenden. Viele Veranstaltungen werden ja rein studentisch organisiert, von Hochschulinformationstagen über Weihnachtsfeiern bis hin zum Sommerfest oder Skifahrten. Ohne das unermüdliche Engagement der Studierenden gäbe es viele dieser Angebote schlichtweg nicht. Darüber hinaus wäre definitiv das riesige Entwicklungspotenzial der - immer noch - jungen Hochschule zu nennen. Wenn man überlegt, dass die MHB mit 48 Medizinstudierenden und 24 Psychologiestudierenden pro Jahr gestartet ist und jetzt auch schon weitere Angebote in Psychologie, Versorgungsforschung und bald auch Zahnmedizin entwickelt hat, und das nur sieben Jahre nach Gründung der MHB, das spricht einfach für sich.
Sinah: Die MHB bedeutet für mich hochqualitative und praktische Lehre im Einklang mit Freizeit, quasi Study-Life Balance. Pflicht-Veranstaltungen sind in gutem Maß vorhanden und so bleibt freie Zeit - einerseits, um die Studiengebühren und den Lebensunterhalt zu decken, andererseits für Engagement jeglicher Art.
Wie war das bei Ihrer Schwester? Wie war es für Sie, Cindy? Haben Sie sich darüber gefreut, oder war es auch komisch, dass Ihre jüngere Schwester an der MHB studiert?
Sinah: War das für dich eigentlich so wie in der Schule mit unserem Pausengeld, was Mama immer dir gegeben hat, was letztlich dazu geführt hat, dass ich in der großen Pause zum „coolen Tisch“ musste, um dich um ein bisschen Geld anzuflehen?
Cindy: Nein (lacht). Ich war ja ab dem Moment, wo du an der MHB angefangen hast, unangenehm stolz, weil unsere Familie jetzt nicht riesig groß ist, und im Grunde studieren 50 Prozent an der MHB, und das fand ich schon ziemlich cool. Das hat schon so ein bisschen Familie mit an die MHB gebracht, weil wir kommen ja nicht gebürtig aus Brandenburg. Es war immer ein Ding, dass die Familie weit weg ist. Das hat sich schlagartig geändert und das ist schon 10 von 10.
Sinah: Ich habe mich auch sehr gefreut, ich habe mir das ja auch ausgesucht. Ich finde es interessant, dass wir nie zusammen an einem Ort waren. Als ich in Neuruppin war, warst du in Brandenburg an der Havel. Als ich in Brandenburg an der Havel war, warst du in Bad Saarow. Jetzt bin ich in Bernau/Rüdersdorf und du im PJ. Trotzdem haben wir gemeinsame Projekte verwirklicht. Es hat uns näher zusammengebracht und es ist einfach etwas anderes, wenn man weiß, jemand ist nur eine Stunde entfernt und nicht fünf.
Cindy: Ich muss sagen, ich fand ziemlich cool, dass du dich ab dem ersten Semester engagiert hast, auch hochschulpolitisch. Ich hatte das Gefühl, ich muss nur den Staffelstab weitergeben und dann geht die nächsten Jahren eine andere Stern den Leuten auf die Nerven. Ich fand das nie komisch.
Und gibt es noch mehr Geschwister, die demnächst an der MHB studieren werden und „auf die Nerven gehen“?
Beide gleichzeitig: Nee, Gott sei Dank nicht.
Cindy: Aber es gibt einige Geschwisterpaare, die an der MHB studiert haben oder studieren und was man so gehört hat von denen, ist eigentlich ziemlich unisono: Alle haben die MHB als großen Mehrwert empfunden.